Erläuterungen zu "Fernes Land"
Gemäß dem zweifachen Pulitzer-Preisträger Walter Lippmann ("Public Opinion", 1922) haben Massenmedien die Aufgabe, der "verwirrten Herde" (Noam Chomsky: "sheeples") die Sichtweise der herrschenden Eliten zu vermitteln. Lippmann sah darin kein Problem, da es auch innerhalb der Eliten eine ausreichende Meinungsvielfalt gebe. Ungeachtet dessen hat dies aber den Effekt, dass der Diskurs in den Massenmedien einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung wie aus einer Parallelwelt vorkommt und im Widerspruch zu dessen täglicher Erfahrung steht.
Die Arbeitsbedingungen der Paketzusteller beschreibt Günter Wallraff in "Aus der schönen neuen Welt" (KiWi-Taschenbuch, 2012). Demnach kalkuliert z.B. der Paketdienstleister GLS mit einer täglichen Arbeitszeit der Fahrer von 12 Stunden. Die Überschreitung der gesetzlich zulässigen Grenze von 10 Stunden für die tägliche Arbeitszeit wird durch Kniffe wie das Deklarieren des Beladens der Wagen als Vorbereitungszeit erreicht sowie durch die Auslagerung an "Subunternehmer", die zur Selbstausbeutung gezwungen werden. Die Zahlungen von GLS an die Subunternehmer decken häufig nicht einmal deren Kosten, so dass deren Privatkapital mit aufgebraucht wird und sie in den Ruin getrieben werden.
Die früheren Arbeitsämter heißen mittlerweile "Jobcenter" und deren Angestellte sind jetzt "Fallmanager". Dazu schreibt die "Agentur für Arbeit" auf Ihrer Webseite:
"Beschäftigungsorientiertes Fallmanagement umfasst spezifische Betreuungs-, Beratungs- und Steuerungsaufgaben und bietet Menschen mit multiplen Einschränkungen besondere Unterstützung im Hinblick auf ihre berufliche und soziale Integration an."
Im Radio werden seit einigen Jahren als Teil der Nachrichten die Kurse der Aktienindizes DAX und NASDAQ gemeldet, auch wenn dies für nur einen sehr geringen Teil der Hörer von Interesse sein dürfte (ich kenne niemanden, aber vielleicht bewege ich mich in den falschen Kreisen ;-). Auch wenn in dem Lied die beiden Welten als Widerspruch gegeneinander gestellt werden, besteht ein direkter Zusammenhang: Ankündigungen von Entlassungen werden nämlich an den Börsen in der Regel "freundlich" aufgenommen, weil sie das "Vertrauen" der Investoren in das betreffende Unternehmen erhöhen. So führt die Ankündigung von Entlassungen in der Regel zu einer Erhöhung des Aktienwerts.
Auch wenn Arbeitgeberverbände und die deren Pressemitteilungen wiedergebenden Medien regelmäßig vor einem "Fachkräftemangel" warnen (so haben Welt und SZ in ihren Onlineausgaben sogar einen Themenschwerpunkt "Fachkräftemangel"), zeigt eine Studie von Karl Brenke ("Fachkräftemangel kurzfristig noch nicht in Sicht", Wochenbericht des DIW Berlin, Nr. 46, 2010), dass generell ein Fachkräftemangel weder besteht noch droht. Statt dessen sei sogar im naturwissenschaftlich-technischen Bereich mit einer Fachkräfteschwemme zu rechnen, denn im Jahr 2010 gab es z.B. fast so viele Maschinenbaustudenten wie überhaupt beschäftigte Maschinenbauingenieure. Wobei das natürlich eine Frage der Perspektive ist: Was aus der Sicht der Arbeitnehmer "droht", ist aus Sicht der Arbeitgeber wünschenswert.